Gesunder Egoismus - Abgrenzung ohne schlechtes Gewissen

Der Arbeitskollege schwimmt in Arbeit, du merkst ihm den Stress an und willst nur eins: helfen. Obwohl du selbst genug Arbeit hast und heute Abend noch verabredet bist und pünktlich gehen wolltest. Egal! Irgendwie wird es schon gehen. Das ist Teamwork, das macht man schliesslich so. Du kommst zu spät und abgehetzt zu deiner Verabredung.  Schon einmal so eine Situation erlebt? Ganz bestimmt. Das ist auch nicht weiter tragisch und kann vorkommen. Was ist jedoch wenn es jeden Tag so ist? An einem Tag ist es die Arbeitskollegin, am nächsten Tag der Chef und so weiter. Also eigentlich ist jeden Tag irgendetwas und weil sich deine Mitmenschen daran gewöhnt haben, dass du immer hilfst denkt auch niemand daran, dass es dir zu viel werden könnte. Du selbst merkst es meistens erst, dass es dir zu viel wird wenn der Körper bereits reagiert: Stress, weniger Schlaf, Ruhelosigkeit, Gedankenkarussell.  Und das weil du dir vor allem um andere Leute Sorgen machst. Denn dein bester Kumpel wurde schliesslich auch gerade noch fristlos entlassen und du «musst» auch ihm helfen.

Nun die Frage: hat dich irgendjemand um Hilfe gebeten? Hat dein Arbeitskollege gefragt ob du ihm die ein oder andere Aufgabe abnehmen kannst oder hast du dich angeboten obwohl du selbst sehr viel zu tun hast? Hat dein bester Kumpel gefragt ob du ihn bei der Jobsuche unterstützt oder suchst du jeden Abend nach Job-Inseraten für ihn? Tut er denn selbst irgendetwas dafür um seine Situation zu ändern?

Falls du dich wieder erkennst, dann bist du ein Mensch mit einer helfenden Ader. Das ist eine schöne Eigenschaft, behalte sie bei. Die Welt braucht mehr Menschen wie dich. Allerdings braucht dich die Welt gesund und munter. Warum vergisst man sich selbst am meisten? Was würde eine gute Freundin zu dir sagen, wenn sie merkt, dass du dich mal wieder viel zu intensiv in anderer Leute Leben hinein denkst? 

Worin liegt also die Lösung?

Gesunder Egoismus. Ja, Egoismus ist aktuell in Zeiten der Solidarität fast schon ein böses Wort. Neumodisch könnten wir es als «Selfcare» bezeichnen. Hört sich nicht so hart an wie Egoismus. Dabei bedeutet es lediglich, dass du deine Grenzen ziehst um dich selbst zu schützen. Auch wenn dies bedeutet, dass eine andere Person enttäuscht werden könnte. Hier liegt auch wahrscheinlich das Problem. Du möchtest nicht, dass andere Menschen enttäuscht von dir sind. Leider kann man es aber nicht jedem Recht machen. In erster Linie geht es um dich. Du musst nicht immer für alles und jeden da sein. Du kannst je nach Situation frei entscheiden ob es jetzt klug ist deine Hilfe anzubieten oder nicht. Wenn du innerlich schon eine kleine Stimme hörst, dass es dir zu viel ist, dann überhör sie nicht. Sie meldet sich nicht umsonst. Du bist wichtig und du darfst dich auch mal abgrenzen, das ist vollkommen ok. Die Probleme anderer sind nicht immer deine. Denn der wichtigste Mensch in deinem Leben solltest immer noch du sein.